Megatrends: Thesen zur digitalen Arbeit der Zukunft
Dass die Digitalisierung die Arbeit auf dramatische Weise verändern wird, ist bekannt: Maschinen ersetzen Mitarbeiter. Kunden kooperieren mit Computern. Unternehmen lösen sich auf oder brauchen neue Strukturen. Inwiefern HR hier handeln muss, haben Wissenschaftler der Universität St. Gallen und ein Shareground-Team im Auftrag der TELEKOM untersucht. Aus 60 Experteninterviews leiteten sie die Megatrends für Arbeit 4.0 ab. Eine kurze Zusammenfassung.
“Die Digitalisierung kommt nicht als laues Lüftchen daher, sondern als Sturm. Sie ist disruptiv. Die (…) Thesen unserer Befragung machen das deutlich. Sie zeigen Handlungsfelder für die Debatte über den Wandel von Arbeit in den Unternehmen auf”, so bewertet Christian P. Illek, Personalvorstand der Deutschen Telekom AG, die Ergebnisse der Untersuchung. Arbeit müsse im Ökosystem Digitalisierung neu organisiert werden.
Megatrend: Es ist die Zeit der Disruption
Die in der Studie befragten Experten gehen sogar soweit, von der “Auflösung der Organisation” zu sprechen. Die Loyalität der digitalen Fachkräfte werde künftig weniger der eigenen Firma als vielmehr hochspezialisierten, firmenübergreifenden Communities gelten, so ihre Prognose. Umgekehrt würden auch immer mehr Unternehmen Kunden direkt in Produktionsprozesse einbinden: Freiwillige digitale Arbeit könne daher häufiger professionelle Beschäftigung ersetzen, lautet eine weitere These.
Auch Illek sieht die gesellschaftliche Dimension der Digitalisierung von Arbeit als “zukunftsweisend und schwierig”: “Die Rechnerleistung von Chips verdoppelt sich alle 18 Monate. Der Verlauf ist exponentiell. Wir sind, bildlich gesprochen, auf der zweiten Hälfte des Schachbretts. Maschinen werden immer intelligenter und lernfähiger. Arbeit wird wegfallen, vor allem einfachere Tätigkeiten. Wir müssen also Antworten auf die Frage finden, wie man künftig die Beschäftigungsfähigkeit der Menschen sichert? Denn digitales Außenseitertum ist Gift für Wirtschaft und Gesellschaft”, warnt der Personalvorstand vor den Folgen möglicher Fehlentwicklungen. Deshalb ist es ratsam, die Digitalisierung der Arbeitswelten aktuell ganz oben auf die Prioritätenliste ihrer Personalentwicklungsmaßnahmen. (Bild: djile/dollarphotoclub)
Die Megatrends im Überblick
-
- Megatrend eins: Liquid statt starr
Die neue Arbeitswelt ist geprägt durch Netzwerke. Standardisierte Back-End Prozesse werden zwischen Unternehmen geteilt, ohne dass dies für Kunden oder Mitarbeiter sichtbar ist. Dadurch entstehen Arbeitsplätze ohne eindeutige organisationale Zugehörigkeit und Produkte ohne eindeutigen Absender. - Megatrend zwei: Abschaffung der Hierarchien
Hoch spezialisierte Fachkräfte kommunizieren weltweit in Special Interest Communities. Nicht mehr die Organisationszugehörigkeit, sondern nur noch die fachliche Expertise leitet Loyalitäten. Die gelösten Bindungen führen auch zum Ende der Organisierbarkeit. Gewerkschaften bekommen dies bereits heute zu spüren: Engagement für Allgemeinbelange findet nur noch selektiv statt. - Megatrend drei: Beauftragen statt einstellen
Unternehmen greifen für die Erbringung spezifischer Leistungen immer weniger auf die dem Unternehmen fest verbundene Workforce zurück. Globale Transparenz von Skills und Verfügbarkeiten hoch qualifizierter Fachkräfte führen zu einem “hiring on demand”. Das Arbeitsverhältnis wandelt sich zum Arbeitseinsatz. - Megatrend vier: Der Kunde im Fokus
Statt auf Mitarbeiter setzen Unternehmen immer mehr auf Kunden. Viele digitalisierbare Leistungen werden von Begeisterten freiwillig und unentgeltlich erbracht. Die Grenzen zwischen Produzenten und Konsumenten verschwimmen. Freiwillige digitale Arbeit ersetzt dabei professionelle Beschäftigung. - Megatrend fünf: Vom Ausführenden zum Überwachenden
Die Rolle des Menschen im Produktionsprozess transformiert sich vom Erbringer der Arbeitsleistung in den Überwacher der Maschinen. Routinevorgänge und auch körperlich belastende Tätigkeiten werden von diesen selbstständig abgewickelt. Der Mensch kontrolliert und greift nur im Notfall ein. - Megatrend sechs: Willkommen – Kollege Roboter
Neue Interaktionsformen zwischen Mensch und Maschine ziehen herauf. Diverse Spielarten werden in Zukunft koexistieren. Von Menschen, die Maschinen steuern, über Maschinen als Kollegen der Menschen bis zur Verschmelzung von Maschine und Mensch oder der kompletten Übernahme der Maschinen. - Megatrend sieben: Die Crowd in der Cloud
Digitale Leistungen werden in immer kleinere Teile zerlegt und an “Virtual Laborers” delegiert. Durch Big Data Analysen können Wertbeiträge präzise einzelnen Arbeitskräften zugeordnet werden. Cloud- /Clickworker erbringen ihre Leistungen im Akkord. Absehbar werden viele dieser Tätigkeiten bald voll digitalisiert. - Megatrend acht: Die Macht von Big Data
Mit Big Data liegen für alle Lebensbereiche hinreichend Daten vor. Die Fähigkeit, diese sinnhaft zu kombinieren und zu interpretieren ist eine Schlüsselqualifikation digitaler Arbeit und nicht substituierbar. Von traditioneller Datenanalyse unterscheidet sich die Arbeit mit Big Data allerdings, da keine Hypothesen mehr benötigt werden. - Megatrend neun: Grenzenlos arbeiten
Hochqualifizierte Spezialisten erbringen im Rahmen von Projektarbeit Arbeitsleistung rund um die Welt. Qualifikationen sind global transparent und vergleichbar. Die räumliche Verortung des Leistungserbringers spielt keine Rolle mehr. Arbeit erlangt damit erstmals die gleiche Mobilität wie Kapital. - Megatrend zehn: Kein fester Arbeitsort mehr
Die traditionellen Arbeitsorte und -zeiten lösen sich auf. Für Arbeitnehmer ergeben sich hieraus individuelle Gestaltungspotentiale, zum Beispiel zur besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf aber auch neue Belastungen. - Megatrend elf: Der Mensch denk nicht linear, der Roboter schon
Die Automatisierung von Arbeit ist endlich, da kreative Tätigkeiten verbleiben, die voraussehbar nicht maschinell zu erledigen sind. Diese finden sich vor allem in sehr spezifischen Nischen. Unternehmerische Skills, Kreativität und die Beherrschung der Maschinen gelten als nur schwer substituierbare Fähigkeiten. - Megatrend zwölf: Selbstmanagement!
Durch die flexible und bedarfsgerechte Vergabe von Aufträgen an Arbeitskraft-Unternehmer lösen sich traditionelle Arbeitszusammenhänge und -abläufe auf. Die Arbeitszeit setzt sich zusammen aus Mikro- Arbeitszeiten verschiedener Aufgaben, die der Arbeitnehmer nach Bedürfnis und Fähigkeit zusammenstellt - Megatrend dreizehn: Flexible Arbeitsverhältnisse!
Der Arbeitsort von Menschen in flexiblen Arbeitsverhältnissen breitet sich auf den öffentlichen Raum aus. Physische Büros sind temporäre Ankerpunkte für menschliche Interaktion, die vor allem dem Netzwerken dienen. Gearbeitet wird überall – nur nicht am eigenen Schreibtisch. - Megatrend dreizehn: Jobhopping – hop und weg!
Die Bindung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber löst sich. Flexible Arbeits- und Kooperationsformen führen dazu, dass Arbeitnehmer ständig mit einem Bein im Arbeitsmarkt stehen. Systematische Personalentwicklung wird so erschwert. Gleichzeitig steigen Erwartungen und Ansprüche der Mitarbeiter an unmittelbar nutzbare Qualifizierungen. - Megatrend fünfzehn: Führen auf Distanz, aber nicht distanziert Führen: Der Abschied von der räumlich verorteten Arbeit geht mit einem Wandel von der Präsenz- zur Ergebniskultur einher. Führungskräfte müssen lernen, dass sie mehr motivieren als kontrollieren werden. Die Kunst besteht darin, persönliche Bindung auch über unpersönliche technische Kanäle aufzubauen und zu erhalten.
- Megatrend sechzehn: Immer mehr Tempo!
Ein zunehmendes Innovationstempo erzwingt die ständige Neubesetzung zukunftsträchtiger Geschäftsfelder und die Transformation der bestehenden Geschäftsmodelle. Gleichzeitig muss das in der Gegenwart noch profitable Kerngeschäft so effizient wie möglich verfolgt werden. Management wird so “beidhändig” und agiert in Gegenwart wie Zukunft gleichermaßen. - Megatrend siebzehn: Der Mensch wird gläsern
Sensoren prägen das “Büro” der digitalen Arbeit. Eigenschaften der Umgebung, der Prozesse, der Arbeitsergebnisse und der Arbeitenden werden laufend aufgezeichnet, um sowohl dem Arbeitgeber, als auch dem Arbeitnehmer Informationen über Qualität und Verbesserungspotenziale der Arbeit zu liefern. Praktischer Nutzen muss gegen ethische Erwägungen abgewogen werden.
- Megatrend eins: Liquid statt starr
Die Studie lässt sich hier abrufen.